Wir nicht! - Collage

 
   
 
 
  In der Photocollage Wir Nicht! geht es um die Konfrontation von Osteuropäischen und Westeuropäischen Juden. Durch das zaristische Pogrom im Jahr 1881 in Russland kam es zu einer Massenflucht von osteuropäischen Juden nach Westeuropa.
Sowohl in Deutschland und vor allem in Berlin sahen die Ostjuden sich mit dem Reformjudentum konfrontiert. Mit ihrer ganz anderen Vergangenheit, nämlich das Leben in großer Armut in den ländlichen Schteteln, konnten sie kaum bis gar nichts mit dem deutsch-jüdischen Alltag anfangen. Im Gegenteil, viele Ostjuden lehnten das deutsche Reformjudentum als Irrweg ab.
Umgekehrt lehnten auch viele deutsche Juden die Zuwanderer aus Osteuropa ab. Einerseits wegen deren nach ihrer Auffassung, rückständigen Lebensweise als auch wegen deren Art und Weise der Religionsausübung: das Sprechen von Gebeten fast den ganzen Tag, den ausschließlichen Gebrauch von Hebräisch im Gottesdienst und schließlich deren orthodoxen Auffassungen. Schließlich spielte auch noch das Aussehen und Verhalten der Zuwanderer einer Rolle. Sie waren meistens ärmlich gekleidet und in schwarze Gewänder gehüllt und trugen immer große schwarze Hüte. Zudem sprachen sie fast ausschließlich Yiddisch.

Das Wesentliche dieses Konflikts besteht auch heute noch in Deutschland ­ nur anders. Als Folge des Holocaust wurde das deutsche Reformjudentum entweder vertrieben oder vernichtet. Nach dem Krieg waren es Displaced Persons, Überlebende der Lager, die mehrheitlich vor dem Krieg aus Osteuropa stammten, die die deutschen Nachkriegsgemeinden gründeten. Auch diese Juden konnten nur wenig bis gar nichts mit dem deutschen Reformjudentum anfangen. Aus diesem Grund sind die meisten deutschen Gemeinden heute konservativ bzw. orthodox ausgerichtet. Heute haben es die wenigen Reformjuden in Deutschland sowohl innerhalb als auch außerhalb der existierenden Gemeinden in Deutschland schwer. Die Vernichtung des progressiven und toleranten deutschen Judentums durch den Holocaust ist noch heute eine schmerzhafte Wunde.
 
       
 
 
 
 

All dieses ist Thema von Wir Nicht!

Das gespiegelte Bild ist ein 1943 gemaltes Selbstporträt des jüdischen Malers Felix Nussbaum, der im Sommer 1944 in Auschwitz ermordet wurde.

Während sich auf der linken Seite Fotos und Gemälden von bekannten deutsch-jüdischen Persönlichkeiten der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts befinden (unter anderem Erich Mendelssohn, Samuel Fischer und Elisabeth Bergner), sind auf der rechten Seite Gemälde und Fotos von osteuropäischen Juden zu erkennen.

Das Wir Nicht! zu beiden Seiten der Collage spiegelt die Nichtbereitschaft zur Annäherung und Toleranz. Im Gegenteil, es drückt auch einen Stolz auf seine Eigenart aus!

Durch das Verwenden des gespiegelten Selbstporträts von Felix Nussbaum soll das vernichtende Moment des Holocaust für beide Gruppen ausgedrückt werden.

Mit Wir Nicht! will ich sowohl Kritik üben als auch gegen die noch heute existierende Intoleranz innerhalb des europäischen Judentums angehen.

 

 
  das Original von Felix Nussbaum