Reise nach Jerusalem 1961      
   
 
 
 
"Reise nach Jerusalem" ist ein Kinderspiel mit Stühlen.
     
Zu Beginn werden die Stühle in einer Reihe aufgestellt, und die Kinder setzen sich auf die Stühle. Nun setzt Musik ein, die Kinder müssen aufstehen und um die Stühle im Kreis laufen. Während sie so im Kreis laufen, wird einer der Stühle entfernt. Mit dem Aussetzen der Musik müssen die Kinder nun so schnell wie möglich versuchen, einen der verbleibenden Stühle zu ergattern.Das Kind, das es nicht rechtzeitig schafft, einen Stuhl zu bekommen, scheidet aus.
Das Spiel wird so lange fortgesetzt, bis nur noch zwei Kinder und ein Stuhl übrig sind. Das Kind, das diesen Stuhl beim Aussetzen der Musik zuerst belegt, hat das Spiel gewonnen.
     
Im Jahr 1961 unternahm Adolf Eichmann eine unfreiwillige Reise nach Jerusalem. Er war vom israelischen Geheimdienst in Argentinien aufgespürt und nach Israel entführt worden, wo ihm über mehrere Monate in Jerusalem der Prozess gemacht wurde. Er wurde zum Tode verurteilt und gehenkt. Seine Asche wurde im Mittelmeer verstreut.

Die Bilder des Eichmann-Prozesses gingen um die Welt und haften noch heute vielen Menschen im Gedächtnis.
Die Installation Reise nach Jerusalem 1961 nimmt Bezug auf beide Deutungen.
Wie im Kinderspiel steht ein Stuhl im Mittelpunkt, nur man kann nicht darauf sitzen.
Für Eichmann war es seine erste (und letzte) Reise nach Jerusalem.
Das Loch in der Sitzfläche und der Strick darüber entsprechen der Art und Weise seines Todes. (Bei einer Hinrichtung durch Erhängen wird der Boden unter dem zum Tode Verurteilten weggezogen.)
Der letzte Stuhl dieses Spiels bleibt leer. Dieses Spiel kennt keinen Sieger, sondern nur Verlierer: die vielen Opfer von Eichmann und zum Schluss er selbst.

Ronnie Golz, April 2001